OLG Hamm v. 22.2.2024 – 22 U 29/23

beA: Zugang unabhängig von Benachrichtigungsemail

Sendet ein Rechtsanwalt über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an einen anderen Rechtsanwalt ein Schreiben, ist dieses dem Empfänger zugegangen, wenn das Dokument auf dem Server für den Empfänger abrufbereit während seiner üblichen oder etwaig darüber hinaus nach außen bekannt gegebenen Büroöffnungszeiten eingeht. Unerheblich für den Zugangszeitpunkt ist, wann die Benachrichtigungs-Email über den Eingang beim empfangenden Rechtsanwalt auf seinem E-Mail-Server eingegangen ist.

Der Sachverhalt:
Mit notariellem Vertrag vom 2.7.2020 schlossen die Klägerin durch den vollmachtlosen Vertreter E.V. und die N.H. einen Kaufvertrag über das Wohnungseigentum der N.H. Nachdem die jeweiligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der N.H. wegen mehrerer von der Klägerin behaupteten Mängeln über eine Reduktion des Kaufpreises verhandelt hatten, verstarb die N.H. Sodann forderten die Beklagten als Erben der N.H. die Klägerin mit Schriftsatz vom 5.3.2021 auf, sich innerhalb der gesetzlichen Frist über die Erteilung der Genehmigung zu erklären. Dieser Schriftsatz wurde am 5.3.2021 per beA übersandt und ging am selben Tag im Büro der Klägervertreterin ein. Die Genehmigungserklärung der Klägerin ging am 16.3.2021 bei der Beklagten zu 1) und bei dem den Kaufvertrag beurkundenden Notar am 22.3.2021 ein.

Am 7.4.2021 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag wegen der von ihr behaupteten trotz Fristsetzung nicht beseitigten Mängel. Klageweise machte sie Schadensersatz geltend. Die Beklagten wendeten dagegen ein, dass der Rücktritt deshalb ins Leere gegangen sei, da die Klägerin den schwebend unwirksamen Vertrag nicht innerhalb der Frist des § 177 Abs. 2 BGB genehmigt habe. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Ansicht, dass nicht ermittelt werden könne, wann die Genehmigungsaufforderung am 5.3.2021 zugegangen sei. Für den Fristbeginn sei deswegen die tatsächliche erstmalige Kenntnisnahme am 9.3.2021 entscheidend. Insoweit sei der Eingang der Genehmigungserklärung beim Notar noch fristgemäß erfolgt.

Das LG hatte die Klage abgewiesen, da die Klägerin den Vertrag nicht fristgerecht genehmigt habe. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG Hamm erfolglos.

Die Gründe:
Zu Recht hat das LG entschieden, dass die Parteien nicht durch wirksamen Kaufvertrag verbunden sind. Aus diesem Grund waren kaufvertragliche Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen. Die Genehmigung wurde dem Beklagten zu 2) gegenüber nicht fristgerecht erklärt.

Eine Empfangszuständigkeit der Beklagten zu 1) für den Beklagten zu 2) schied mangels Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft aus. Der Zugang der Genehmigungserklärung bei dem beurkundenden Notar am 22.3.2021 erfolgte nicht fristgerecht, sodass – unabhängig von der in Frage stehenden Empfangszuständigkeit des Notars – kein fristgemäßer Zugang der Erklärung beim Beklagten zu 2) vorlag. Die Zweiwochenfrist des § 177 Abs. 2 BGB begann am 5.3.2021 zu laufen und endete infolge dessen am 19.3.2021, da es für den Zugang nach § 130 BGB nur darauf ankommt, wann mit der Kenntnisnahme unter normalen Umständen zu rechnen ist. Dies war am 5.3.2021 innerhalb der Geschäftszeiten der Klägervertreterin der Fall.

Darauf, dass die Klägervertreterin tatsächlich erst am 9.3.2021 Kenntnis von der Genehmigungsaufforderung erlangt hatte, kam es demnach nicht an. Ebenso wenig kam es darauf an, wann die Klägervertreterin eine Benachrichtigungsemail über den Eingang des Schriftsatzes in beA auf seinem Email-Server erhalten hat. Entscheidend war allein, ob die beA-Nachricht selbst während der Geschäftszeiten der Klägervertreterin eingegangen war. Daran hatte der Senat keine Zweifel.

Somit konnte die Frage, ob der den Vertrag beurkundende Notar zur Entgegennahme der Genehmigung nach § 177 Abs. 2 BGB bevollmächtigt war, dahinstehen, da der Zugang der Erklärung am 22.3.2021 ohnehin verspätet war. Dennoch musste beachtet werden, dass der Notar ohnehin nicht empfangsberechtigt gewesen sei. Dass der Notar vertraglich zur Entgegennahme von Genehmigungen bevollmächtigt sei, erfasse nicht den Fall des § 177 Abs. 2 BGB, da die Aufforderung zur Genehmigung nicht vom Notar selbst stammte und er darüber hinaus die Wirksamkeit der Genehmigung im Hinblick auf etwaige Mängel im Rahmen der Aufforderung nicht zuverlässig überprüfen könne.

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Rechtsprechung
Zum Vorliegen einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) an das Gericht
BGH vom 18.04.2023 - VI ZB 36/22



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.03.2024 10:34
Quelle: Justiz NRW

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